Die EU-Kommission will den Green Deal für Europa. Dafür müsste auch Europas hochsubventionierte Landwirtschaft grüner werden. Die Widerstände sind groß. Scheitert die Agrarwende?
Alle sieben Jahre wird die Verteilung der Landwirtschaftssubventionen neu verhandelt. Mit rund 40% ist das Agrarbudget der größte Posten im EU-Haushalt. Gleichzeitig ist die Landwirtschaft für 14% der Teibhausgas-Emissionen verantwortlich.
Die neue EU-Kommission plant bis zum Jahr 2050 für Europa Klimaneutralität. Alle Bereiche der EU wären betroffen: Industrie, privater Verbrauch, Verkehr - und eben auch die Landwirtschaft.
Das bisherige Subventionssystem nutzt vor allem Großbetrieben, begünstigt Monokulturen, Überdüngung, Überproduktion, Massentierhaltung. Das Interesse an Änderungen ist bei den Großen entsprechend klein.
Bereits vor sieben Jahren, bei den letzten Verhandlungen zum europäischen Agrarhaushalt, unternahm der seinerzeitige EU-Agrarkommisar Dacian Cioloș den ernsthaften Versuch, die Landwirtschaft grüner zu machen. Für einen Moment sah es tatsächlich so aus, als könnte er sich durchsetzen. Doch dann hat die mächtige Agrarlobby das Vorhaben weichgekocht.
Bringt die Idee vom Green Deal nun neuen Reformschwung? Es sieht nicht danach aus. Von den künftig rund 54 Milliarden Euro Fördergeldern pro Jahr soll der Großteil wieder als Flächensubventionen nach dem Gießkannenprinzip vergeben werden. Erst ab 2023 soll ein Teil davon in Verbindung mit klimafreundlichen Umweltmaßnahmen stehen, so genannten "Eco Schemes". Der Knackpunkt: Es ist völlig unklar, wie diese Ökoprogramme aussehen sollen. Außerdem ist fraglich, ob es hier überhaupt europaweit einheitliche Standards geben wird.
Im EU-Parlament haben sich Liberale, Christ- und Sozialdemokraten auf einen Kompromiss geeinigt: 30% der Förderung soll den "Eco Schemes" vorbehalten sein. Vor allem die Konservativen von der Europäischen Volkspartei, zu der auch die Abgeordneten der CDU/CSU-Gruppe gehören, stehen auf der Bremse. Mit dieser Reform, kommentiert Martin Häusling von den Grünen, "wird die Kommission weder den Green Deal machen können, noch ihre Klimaziele erreichen".
Aber wie gelingt es der Agrarlobby, Reformbemühungen so konsequent zu hintertreiben? Guido Nischwitz von der Universität Bremen hat dazu im Auftrag des Naturschutzbundes eine Studie erstellt. Ergebnis: Ein mächtiges Netzwerk im Agrarsektor, in dessen Mittelpunkt der Deutsche Bauernverband steht. Zentral, so Nischwitz, seien die Netzwerkknotenpunkte "Forum Moderne Landwirtschaft" und "Verbindungsstelle Landwirtschaft - Industrie", wo die Interessen aus Agrar- und Ernährungswirtschaft, aus Finanzen, Chemie und verschiedenen Verbänden zusammenliefen.
Dieses Netzwerk sei in der Lage, sagt Nischwitz, Politik sowohl in Deutschland als auch in Europa und damit die gemeinsame Agrarpolitik zu beeinflussen.
Das zeigt sich auch im Ministerrat, neben EU-Parlament und Kommission der dritte Player in Europas Agrarpolitik. "Nach langem hartem Ringen haben wir endlich einen Meilenstein geschaffen", verkündet Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. "Einen Meilenstein, um einen Systemwechsel in der europäischen Agrar- und Ernährungspolitik zu erreichen."
Doch was die CDU-Politikerin als Erfolg verkündet, ist weniger als das, was in Brüssel bereits auf dem Tisch liegt. Die Eco-Schemes, die Bauern für den klimaschonenden Ackerbau belohnen sollen, werden nach dem Willen der EU-Agrarminister nicht 30, sondern nur 20% ausmachen.
Green Deal, Klimaschutz, Agrarwende. Der Große Wurf droht zu verwässern. Es wäre nicht das erste Mal.
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